Montag, 1. Mai 2017

Zwei Wochen Trauer, dann muss aber Schluss sein!

Der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen hat im öffentlichen Leben kaum noch Platz. Getrauert werden soll allein im Privaten, unbemerkt, möglichst still und bloß nicht zu lang – das erwarten mittlerweile Psychiater und Mediziner.

Die Bibel der Psychiatrie, kurz "DSM-5". 
Das Handbuch zur Diagnose psychischer Leiden kurz "DSM-5" der Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) hat über Nacht Millionen zu psychisch Kranken gemacht.

Wer deutlich länger trauert als 14 Tage, gilt als psychisch krank. Zumindest, wenn es nach dem DSM-5 geht, der aktuellen geltenden Auflage des Diagnosemanuals für psychische Störungen der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung die auch bei uns zumindest in Kliniken unverändert Anwendung findet. Auch in der schon erschienenen deutschen Übersetzung des DSM-5  ist ebenso zu lesen, dass zwei Wochen nach dem Verlust eines geliebten Menschen die Trauer ein Ende haben muss. Symptome die im Zuge der Trauer auftreten wie Niedergeschlagenheit, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug und Schlafstörungen werden nach DSM-5 als Depression diagnostiziert. ... 

Verroht die Psychatrie? 
Trauer wurde zur Krankheit erklärt. 
Vor Kurzem noch anders: Das DSM-3 von 1980 hatte den Menschen für Trauer noch ein ganzes Jahr zugestanden, das DSM-4 von 2000 schon nur noch zwei Monate. Und heute mit dem DSM-5 sind 2 Wochen Trauer genug. Beinahe hätte das DSM-5 gar nicht mehr zwischen natürlicher Trauer und Depression unterschieden. „In der ursprünglichen Fassung sollte jede ausgeprägtere Trauer Depression sein“, sagt Professor Wolfgang Maier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Doch da der Protest gegen diese knappe zeitliche Definition zu groß wurde, sei nachträglich ins DSM-5 eine Anmerkung hineingeschrieben und eine Fußnote zum Umgang mit Trauer angeklebt worden, sagt Maier. „Die Autoren lassen es nun offen, eine feste Grenze zu setzen zwischen Trauer und Depression.“ Das Problem dabei: Wenn der Arzt diese Ergänzungen im Einzelfall nicht mit Sorgfalt anwende, könne es zu einer Überdiagnose kommen, sagt Maier. Nicht nur aus den Vereinigten Staaten kommt Kritik, dass Symptome von Trauer dann zu schnell mit Medikamenten wie Antidepressiva behandelt werden könnten.

Bisher galt: Wenn die Verarbeitung des Verlustes eines geliebten Menschen nicht glückt und es zu einer langfristigen Trauerreaktion kommt so dass jemand in seinem Alltag etwa auch noch nach einem Jahr den Verlust nicht bewältigen kann, wird daraus eine Erkrankung.“ Zehn bis 15 Prozent aller Trauernden sind von dieser „prolongierten“ oder „pathologischen“ Trauer betroffen. Diese spezielle Form der Trauer wurde erst gar nicht in das DSM-5 Manual aufgenommen.

Anders als im ICD, einem weiteren Diagnosemanual, dessen elfte Auflage die Weltgesundheitsorganisation 2017 / 2018 herausgeben will. Darin wird vermutlich die „pathologische Trauer“ benannt sein. HINWEIS: Das ICD wird in Deutschland vor allem von niedergelassenen Ärzten genutzt, das DSM vor allem in Kliniken.

Anm.: Liebe und Trauer sollte sehr persönlich und individuell sein. Trauer hat viel mit Empathie, aktuellem Befinden (u.a. Stressbelastung) zu tun.

ADHS und DSM-5
Mit DSM-5 ist auch die Zahl der Kinder weiter angestiegen, die an ADHS leiden sollen. Bislang müssen die typischen Zappelphilipp-Symptome wie motorische Unruhe und mangelnde Konzentrationsfähigkeit vor dem siebten Lebensjahr auftreten, um eine Erkrankung zu diagnostizieren. Dieser Zeitraum wird im neuen DSM-5 Diagnosekatalog auf die ersten zwölf Lebensjahre ausgeweitet(!). Damit schließen die Autoren des Manuals auch die Schulzeit mit ein. Dass diese Zeit ohnehin eine große Umwälzung im Leben von Kindern ist, die viel Stress mit sich bringt, der nicht selten mit ADHS-ähnlichen-Symptomen einhergeht. In vielen Fällen sind diese Reaktionen aber ganz normale Reaktionen, mit denen die Kinder auch ohne Medikamente zurechtkommen können, auch können Entspannungstraining und Meditation in dieser Zeit sehr gut helfen. In Deutschland bekommen allerdings schon heute 6,5 Prozent der Jungen unter zehn bis zwölf Jahren Medikamente wie Ritalin (die Pharmaindustrie zeigt sich sicher begeistert). Angesichts solcher Zahlen "ist von einer deutlichen Überdiagnostik und pharmakologischen Übertherapie auszugehen", sagt etwa Rainer Richter, der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. Er sieht für die nächsten Jahre sogar eine neue Diagnose-Epidemie für Kinder auftauchen.
---

ICD-10-GM
Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM) ist die amtliche Klassifikation zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland. Seit dem 1. Januar 2017 ist die ICD-10-GM in der Version 2017 anzuwenden.
Link: http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/
---

Quellen: Div. News und Interviews 
Bildquelle: pixabay
Quelle Anm.: Eggetsberger-Info-Team
DSM = Infolink: https://de.wikipedia.org/wiki/Diagnostic_and_Statistical_Manual_of_Mental_Disorders
ICD der WHO: http://www.who.int/classifications/icd/en/
Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft (APA) = Link: https://www.psychiatry.org/
Link: https://www.psychiatry.org/